Ein Refugium der Fotografie

Fünf Jahre Deutsches Fotomuseum in Markkleeberg

(T. O. Immisch, Leipziger Blätter Heft 73)

Idyllisch im Winkel des alten Herfurthschen Landschaftsparks, heute Agra-Park, unweit von dessen Haupteingang und dem Weißen Haus, der Herfurthschen Sommervilla in Markkleeberg, steht das Deutsche Fotomuseum. Erbaut wurde es in den 1990er Jahren für eine Sammlung von Landwirtschaftsmaschinen, die bald aufgegeben und zerstreut wurde. Dann beherbergte der Bau eine Zeitlang Repliken der chine-sischen Terrakotta-Krieger, auch das scheiterte bald, woraufhin das Gebäude einige Jahre leer stand. 2013 zog dort das Museum ein, das vorher Kamera- und Fotomuseum Mölkau hieß.
Betritt man das Haus, kommt man in eine -große Rotunde, vor der Fensterfront zum Park stehen alte Großformatkameras. Hinterm Ticketschalter stehen alte Fotoalben im Regal, in Vitrinen findet sich alte Fototechnik, darunter Dia- und Filmprojektoren, Stereokameras und Geräte fürs Betrachten von Diapositiven. Linker Hand schließt sich der Raum für Kabinettausstellungen an, rechts geht’s ins Café, wo auch Fotobücher und -postkarten angeboten werden. Im Café beginnt auch die jeweilige Sonderausstellung, die im anschließenden Raum mit fest installierten Stellwänden ihren Ort hat.
In der zentralen Rotunde wird die Dauerausstellung präsentiert, die einen Rundgang durch die Fotogeschichte von den 1840er Jahren bis heute ermöglicht. Von besonderem Reiz ist dieser Raum durch die schiefe Ebene, die sich spiralförmig in zwei Windungen die Wände hochzieht, fast wie im Guggenheim-Museum von Frank Lloyd Wright in New York, die auf zwei Etagen sich zu halbkreisförmigen Räumen öffnet. In der Mitte des Raums thront eine riesige Reprokamera von 1895. Der Rundgang beginnt mit Porträts der drei wichtigsten Erfinder des fotografischen Verfahrens: Joseph Nicéphore Niépce, Louis Jacques Mandé Daguerre und William Henry Fox Talbot.
Teil 1, 19. Jahrhundert: Nach wenigen Text-tafeln, auf denen eine knapp gehaltene foto-historische Einführung geliefert wird, geht es los mit der Reihe der Bilder, zunächst mit frühen Porträts. Bemerkenswert ist die Fotomontage eines Gruppenporträts des Sächsischen Landtags mit König Friedrich August in der Mitte, datiert auf etwa 1910. Es folgen Stadtansichten vom alten Leipzig. Weiter geht’s mit früher Reise-fotografie, handkolorierten Bildern, Beispielen des Exotismus, etwa Kostümszenen aus Kairo oder Giorgio Sommers Straßenporträts aus Neapel, mit Stereoaufnahmen, köstlichen Aktstudien von Pariser Fotografen um 1860 und pikanten Akten aus der Zeit um 1900.
Ein neues Kapitel widmet sich der Kunstfotografie um 1900 mit Bildern von Wilhelm von Gloeden, Nicola Perscheid, Rudolf Dührkoop, Constant Puyo und anderen oder orientalischen 
Akten von Lehnert & Landrock – alles vom Feinsten. Auf der Ebene im ersten Stock ist eine Ateliersituation um 1900 mit Kameras, Fotos in Rahmen der Zeit, unterschiedlichen Porträts simuliert – montiert auf Karton, hinter Glas, auf einem Porzellanpfeifenkopf. Im anschließenden Raum sind alte Dunkelkammerrequisiten, unter anderem ein Tageslichtkopiergerät, Kopiergeräte für große Auflagen bis zum Kopierautomaten, Chemikalien, Schalen, Schürzen und ein Glasplattenarchivschrank versammelt – die verschwindende Welt analoger Fotografiepro-duktion. An der Wand hängen Beispiele früher Farbfotografie: Lichtdrucke, kolorierte Fotos, Abzüge vom AGFA-Farbnegativfilm.
Teil 2: Die zweite Runde um die Rotunde ist dem 20. Jahrhundert gewidmet. Zu Beginn wieder kurze fotohistorische Texte, zu Pictorialismus, Avantgarde, Neuem Sehen und Fotojournalismus. Dann folgt die Fortführung der Bilderflut: Porträts von Hugo Erfurth, Leipziger Messe-szenen, Pflanzenstudien, Porträts in Fülle, unter anderen von August Sander, Akte von Kurt Reichert (1935), Arbeiterporträts von Otto Müller (1938/39), ein kitschiges Hitler-Propagandaporträt Heinrich Hoffmanns (1933). Und dann Bilder, die die verheerenden Konsequenzen der Naziherrschaft belegen: Bilder vom kriegszerstörten Leipzig von Richard Peter sen. aus Dresden, Renate und Roger Rössing dokumentieren die Enttrümmerung in Leipzig (1947 bis 1953). Nunmehr beginnt ein exemplarischer Überblick über Fotografie in der DDR, so mit Fotos von Evelyn Richter oder Norbert Vogel, gefolgt von internationalen Bildleistungen seit den 1950er Jahren mit Werken von Willy Ronis, Irving Penn, Will McBride, Elliot Erwitt oder Jeanloup Sieff, dazwischen immer wieder Aufnahmen von DDR-Fotografen, beispielsweise 
von Günter Rössler, und westdeutschen Fotokünstlern, wie Gerhard Vormwald. Zum Ende eine kleine Aktreihe mit Arbeiten von William Ropp, Hermann Försterling, Jan Saudek, Lucien Clergue, Thomas Karsten – international und hochkarätig.
Auf der kleinen Ebene im zweiten Stock finden sich wichtige Werkgruppen einiger Fotografen: als Hommage an den Gründer Peter Langner Bilder aus dessen Serie »Kirchhofstraße 9« (1975/76), die zur damaligen Zeit nicht gezeigt werden durfte, Aktfotografien von Thomas Karsten, Bildjournalismus von Wolfgang Zeyen und farbige Werbe-Inszenierungen von Olaf Martens. Darüber hinaus in vielen Vitrinen Kameras über Kameras und allerlei Fotozubehör.
Zusammengetragen wurde (fast) alles (und noch viel mehr – wie in jedem Museum kann nur ein Bruchteil der Bestände in der Dauerausstellung gezeigt werden) vom Leipziger Fotografen und Sammler Peter Langner. Er hatte bereits während seines Fotografiestudiums an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (1968–1973) begonnen, Kameras und alte Fotografien zu sammeln. 1983 erwarb er ein Grundstück in Mölkau, auf dem ein kleines Fachwerk-Bauernhaus stand. Am 150. Jahrestag der Veröffent-lichung des fotografischen Verfahrens, dem 
19. August 1989, eröffneten er und seine Frau dort ihr »Fotokabinett« (»Museum« hatte es nicht heißen dürfen).
Nach Peter Langners Tod 1994 erfuhr das Haus im November des gleichen Jahres einen Neustart als Kamera- und Fotomuseum Mölkau; seitdem gibt es regelmäßige Sonderausstellungen zur historischen und zeitgenössischen Fotografie. Die Sammlung umfaßt etwa fünftausend Ka-meras und um die siebzigtausend Bilder, darunter auch viel Gebrauchsfotografie und Pressebilder. Schwerpunkte des Bestands wie auch des Sonderausstellungsprogramms sind Fotografien 
des 19. Jahrhunderts, Klassiker der Fotografie-geschichte, Fotografien aus der DDR, erotische Fotografie und zeitgenössische internationale Fotokunst.
Betreiber des Museums ist seit 1994 der Ka-mera- und Fotomuseum Leipzig e. V., die wesentlichen und ständigen Förderer sind die Stadt Markkleeberg, der Kulturraum Leipziger Raum, die Firma CEWE, die Wohnungsbaugesellschaft Markkleeberg, die Sparkasse Leipzig, die Siemens AG Region Deutschland Ost und der Lions Club Leipzig Saxonia. Häufige Kooperationspartner sind neben der in focus Galerie.Burkhard Arnold in Köln und dem Kunstmuseum Moritzburg in Halle weitere Museen sowie Sammler. Die Betreuung und den Ausbau der Sammlung, die Pflege der Dauerausstellung einschließlich des kontinuierlichen Wechsels einzelner Bilder, die Organisation und Durchführung der Sonderausstellungen bewältigen nun seit Jahrzehnten Kerstin Langner und Andreas J. Mueller.
Der zunächst sehr selbstbewußt anmutende Name Deutsches Fotomuseum hat seine guten Gründe. Zum einen gibt es kaum ein anderes Museum in Deutschland, das es so wie hier ermöglicht, die Geschichte des Mediums bezogen sowohl auf die Geschichte der Technik als auch der fotografischen Bilder nachzuvollziehen. Das frühere Fotomuseum im Münchner Stadtmuseum wurde herabgestuft zur Sammlung Fotografie des Hauses, das AGFA Fotorama in Köln gibt es nicht mehr, und das im Konzept ähnliche Fotomuseum Burghausen (Bayern) hat einen kleineren Bestand und seine Sonderausstellungen sind nicht so ambitio-niert und hochkarätig wie die in Markkleeberg. Darüber hinaus, darauf weist Andreas J. Mueller zu Recht hin, ist die Region zwischen Wolfen, Leipzig, Halle, Jena, Dresden und Görlitz das historische Zentrum der Kameraindustrie wie auch der Fotopublizistik und der Fotoverlage. ν